Dienstag, 9. September 2008
Chronik eines Tages
Mittlerweile haben wir Donnerstag, den 21. August und die Dinge laufen recht gut an. Wir haben uns ganz gut eingelebt, nette Leute kennen gelernt, der Schul- und Kindergartenstart von Anja und Julius war prima, inzwischen war auch der Container mit unseren Habseligkeiten eingetroffen. Da muss es doch ein Leichtes sein, am Flughafen die nachgeschickte Kiste abzuholen. Dachte ich. Dachten wir. Und beging den ersten Fehler. Ich nahm mir zuviel vor für diesen Tag.
Mein Plan war es, schnell, schnell die Kiste zu holen, dann mit ihr zu unserem neuen Anwesen zu fahren, um dann bis zum Mittagessen noch ein paar ‚häusliche Dinge’ wie Spiegel zu montieren, zu erledigen. Weit gefehlt.
Samson, der Schulbusfahrer, wollte mich begleiten und die ursprünglich für 8.30 Uhr terminierte Abfahrtszeit änderte sich schon mal auf 9.15 Uhr. Na ja, da will man ja mal nichts sagen, schließlich und endlich ist es ja auch eine feine Sache, Samson dabei zu haben, zumal er auch weiß, wo man hin muss oder auch bei sprachlichen Schwierigkeiten helfen kann.
Am Frachtflughafen angekommen wurden wir dann auch gleich von einem ‚Clearing Agent’ empfangen, der uns zum richtigen Büro der Air Ghana Ltd. brachte. Dort entrichtete ich dann auch gleich meine 33 cedis Gebühren, hatte also eigentlich meinen Obulus bezahlt.
Bei dem Begriff ‚Clearing Agent’ dachte ich natürlich sofort an Pulp Fiction und an Harvey Keitel als Mr. Wolf, den Problemlöser und hoffte, dass auch Sonne, so sein Name, sich als Problemlöser entpuppen würde.
Es ließ sich also gut an und ich war guter Dinge, aber dann hieß es auf einmal: Pliiiz, have a seat and wait! In der Zwischenzeit saß ich mit Samson im Büro des ‚Problemlösers’ und sah Leute reinkommen, rausgehen, ein Schwätzchen halten, sogar eine Marktfrau kam vorbei und verkaufte ihren Krimskrams, aber in Sachen Flugkiste passierte nichts, nichts, nichts! Einzige Unterhaltung war ein Fernseher, der an der Wand hing und einem mit dem Welt schlechtesten Programm unterhielt.
Irgendwann ging es weiter und wir mussten zu einer Polizeibehörde. Nachdem die Dame von der Behörde meinem Clearing Agent 3 x wieder von dannen schickte, da er irgendwelche Formulare falsch ausgefüllt hatte (selbstverständlich immer mit den entsprechenden Wartezeiten!), wurde es dann langsam Mittag und Mr. Sonne meinte, dass könne schon noch bis 14.00 Uhr dauern. Wir mussten aber wieder zurück zur Schule, so versprach er uns hoch und heilig, sich um alles zu kümmern. Um die in der Zwischenzeit anfallenden Gebühren bezahlen zu können, solle ich ihm aber 20 cedis geben (, für die ich selbstverständlich einen Beleg erhalten würde). Mittlerweile schon sehr genervt, sah ich das so nicht ein, aber Samson gab mir zu verstehen, wenn ich dann meine Kiste noch in diesem Leben haben wollte, solle ich doch die 20 cedis geben. Sonst geht nichts mehr!
Nun denn: Wieder zurück zur Schule und nachmittags wieder zurück zum Flughafen. Dort fanden wir dann Mr. Sonne, unseren Clearing Agent, an einem Ort der einer Cargo-Halle doch recht ähnlich sah. Nach einiger Zeit bekam ich dann für 10 cedis Pfand einen offiziellen Ausweis, dass ich mich in dieser Halle bewegen durfte und tatsächlich – da sah ich sie dann zum ersten Mal. Unsere Kiste! Jippieh! Aber noch nicht mitnehmen – nein! Vorher sollte sie noch geöffnet und kontrolliert werden, ob ich denn kleine Kinder, Drogen oder chemische Waffen darin transportiert hätte. Den Schlüssel hatte Mr. Sonne aber in seinem Büro, also wieder warten, bis er mit dem Schlüssel zurückkam und dann endlich, endlich Kiste öffnen. Ein ruppiger Zollbeamter kam zu uns und wir mussten ihm zu viert!!! den Inhalt der Kiste zeigen und auf dem (schmutzigen) Hallenboden auslegen, versehen mit dem Kommentar: „Etwas schneller! Ich hab’ ja nicht den ganzen Tag Zeit.“ Ich wollte schon wieder alles einräumen, da wurde ich belehrt, alles so liegen zu lassen, da ein zweiter Kontrolleur noch kommen würde. Unglaublich. Also noch mal warten. Der zweite Kontrolleur hat dann im Vorbeigehen ein raunziges ‚O.K.’ zugemurmelt, was soviel bedeutete wie ;Ihr könnt wieder alles einräumen!’ Mit Freuden wollte ich dann die Kiste schnappen, aber weit gefehlt. Die Papiere müssten noch fertig gemacht werden und überhaupt und sowieso. Also wieder zurück ins Büro und warten, warten, warten!
Nach geraumer Zeit ging dann die Tür auf, ohne Kiste, und mir wurde mitgeteilt, ich müsste jetzt noch zur ‚identification’! Wie denn, wo denn, was denn? Ich wollte doch nur meine Kiste holen und jetzt werde ich noch „identifiziert“? Na ja, eine ‚identification’ wäre dann doch noch ganz angenehm gewesen, denn was dann folgte, ist nicht mit Worten zu beschreiben. Ich wurde von einem Zollbeamten zusammengeschrieen, dass ich mich illegal im Land befinden würde und ob man das in Deutschland auch so machen dürfte und wie ich mir das alles vorstellen würde undsoweiterundsofort. Versuche meinerseits mich zu erklären, wurden sofort niedergebrüllt. Noch schlimmer: In übelster Weise stellte er mir Fragen, und kaum war ich gewillt, zu antworten, wurde ich mit der nächsten Frage zusammengestaucht. Dabei wedelte und fuchtelte er mit meinem ‚Dienstausweis’ herum, den er mir auch partout nicht mehr geben wollte. Mir war jetzt wirklich nicht mehr ganz geheuer und ich hatte wirklich Angst, dass mich dieser Typ noch in den Knast bringen würde. So was ist mir noch nie, noch nie passiert. Auf einmal gab es dann meine Papiere zurück und ich musste wieder zu meinem Freund, Mr. Sonne, ins Büro. Dort wurde mir mitgeteilt, hurra, hurra, die Kiste wäre bereits auf dem Weg, aber ich müsste vorher noch Bearbeitungsgebühren bezahlen. Mir wurde eine Rechnung präsentiert, die sich auf 180 cedis belief. Ungläubig fragte ich, was das solle und ich hätte eh’ nur 140 cedis bei mir. Man verschwand in einem Hinterzimmer und kam auf einmal mit einem Beleg über 140 cedis zurück. Hmmmm, seltsam!
Zermürbt wie ich nun war, zahlte ich auch noch bereitwillig diesen Betrag und tatsächlich, dann um 18.00 Uhr, war auch die Kiste da.
Welch ein Horror!
Gott sei Dank ist es nicht jeden Tag so, denn sonst wäre ich schon längst wieder auf dem Weg nach Hause. Aber leider, leider scheint es bei offiziellen Dingen nicht ohne Schmierereien, Korruption und ähnlichen miesen Methoden zu funktionieren. Inklusive Verhaltensmuster, die man sonst nur aus totalitären Staaten zu kennen glaubt.. Schade!
Ach ja, der Inhalt dieser „gefährlichen“ Kiste: Ganz normale, gebrauchte, Haushaltsgegenstände – ein Witz! Allerdings ein schlechter!
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1 Kommentar:
Hi Stephan,
das macht so richtig Appetit auf einen Behördengang in Ghana. Ich hab schon beim Lesen die Krise bekommen.
Wir hier haben sicherlich viel zuviel Hektik in den Knochen, aber in Ghana scheint das andere Extrem zu herrschen. Und was das kostet ;-)
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